Freitag, 5. Dezember 2008

Gemeinwesenarbeit und Sozialraumorientierung/Sozialraumarbeit I

Das Verhältnis zwischen GWA und Sozialraumorientierung/Sozialraumarbeit hat mich in der gesamten vergangenen Woche beschäftigt:

Sozialraumorientierung in der Jugendarbeit, Ulrich Deinet am IFP:

Bei einer Veranstaltung am IFP am 27.11.08 mit Ulrich Deinet, Richard Krisch und Manuela Brandstätter haben wir über das unterschiedliche Verständnis zu Sozialraumarbeit diskutiert.
Meine Position dazu hab ich ja bereits veröffentlicht, u.a. in:

Stoik, Christoph: Sozialraumorientierung als theoretische Grundlegung der Sozialen Arbeit. In: Sozialarbeit in Österreich. Nr.: 1/08, Wien, 2008:

a) Sozialraumorientierung als Governance- und Sparstrategie:
Verlagerung von sozialstaatlicher Verantwortung in den „sozialen Raum“ und
Verlagerung von Aushandlungsprozessen in den territorialen lokalen Raum als Governance-Strategie

b) Tradition der Gemeinwesenarbeit

c) Sozialraumorientierung in der Jugendarbeit, Deinet, Krisch et al (Aneignungsraum)

e) Sozialraumarbeit als theoretische reflexive Haltung (Kessl/Reutlinger)


kritische Auseinandersetzung zu Sozialraumorientierung in der Jugendwohlfahrt, Hinte am Masterstudiengang:

Bei einer Lehrveranstaltung am Masterstudiengang klinische und sozialraumorientierte Soziale Arbeit mit Wolfgang Hinte als Gastreferent (3.12.08) wurde über Hintes Konzept der Sozialraumorientierung äußerst kontrovers diskutiert.
Zentrale Diskussionspunkte:
Problematik des Missbrauchs eines Fachkonzeptes für den Sparkurs von Kommunen
Soziale Arbeit, die „neutral“ Arrangements für Aushandlungen schafft (Hinte), Soziale Arbeit, die soziale Verhältnisse beeinflusst und Soziale Arbeit, als normierendes Instrument des Sozialstaats

Wolfgang Hinte berät Kommunen bei der sozialräumlichen Umgestaltung der Jugendhilfe in Deutschland, Schweiz und Österreich. Betont wird dabei die Fachlichkeit, u.a.:
- Ansetzen am „Willen“ der KlientInnen (lebensweltorientierter Zugang)
- Ressourcenorientierung in Bezug auf KlientInnen und dem „sozialen Raum“

Kritisiert wird, dass der Hintergrund für diese Umgestaltung als Strategie des aktivierenden Sozialstaats verstanden werden muss: Die Verantwortung wird verlagert von der staatlichen Ebene auf den sozialen Raum. Die Träger werden mitverantwortlich gemacht für die Nutzung der Jugendwohlfahrtsgelder („Sozialraumbudgets“) – staatliche Instanzen können sich der Verantwortung leichter entziehen.
Außerdem werden die Ressourcen in den „Sozialen Räumen“, u.a. die BewohnerInnen für die Erledigung der Aufgaben der Jugendwohlfahrt genutzt.


Beibehaltung des Begriffs „Gemeinwesenarbeit“ - DGS-Sektion GWA

In der Sektion „Gemeinwesenarbeit“ der deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit (29.-30.11.08 in Jena) wurde u.a. über das Verhältnis Gemeinwesenarbeit und „Sozialraumarbeit“ (Kessl/Reutlinger) diskutiert. „Sozialraumarbeit“ wurde von den einen als theoretisch fundierte und stringente Weiterentwicklung innerhalb der Theoriebildung der Sozialen Arbeit verstanden, von den anderen als „alter Wein in neuen Schläuchen“.
Einigkeit herrschte darüber, dass Wissensbestände verloren gehen würden, wenn das Fachkonzept „Gemeinwesenarbeit“ aufgegeben werden würde.
Ich persönlich sehe folgende Bestände, die dafür sprechen, weiter auch von Gemeinwesenarbeit zu sprechen:

1.vorhandenes Handlungswissen und Methoden im Rahmen der GWA
2.zivilgesellschaftliche Tradition und theoretische Bezüge (von Settlementbewegung über Community Organizing bis educacion popular)
3.internationale Verwendung von „community work“ bzw. „community development“, inkl. aktuelle Entwicklungen der Gemeinwesenökonmie

Auch aus disziplinstheoretischer Perspektive macht es Sinn, den Begriff „Gemeinwesenarbeit“ als traditionsreiches Handlungskonzept der Sozialen Arbeit zu erhalten und nicht wegen jeder neuen Mode Begriffe andauernd zu ändern.


Wiener Vernetzungsfrühstück für Gemeinwesenarbeit

Auch im Vernetzungsfrühstück am 4.12.08 wurde die Diskussion zu Sozialraumorientierung/Sozialraumarbeit – GWA eröffnet. Trotz unterschiedlichem Verständnis zum Begriff „Sozialraum“ fließt der Begriff zunehmend ein in verschiedene Handlungsfelder und Disziplinen/Professionen (Stadtentwicklung, Stadtplanung, Soziale Arbeit, ...). Eine Beschäftigung mit beiden Zugängen wurde daher im Vernetzungsfrühstück als wichtig erachtet - weitere Diskussionen sollen folgen.

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