Dienstag, 4. April 2017

„Nachbarschaft“ zwischen dörflicher Romantik und Governance-Strategie

Bericht zur Campus Lectures „Nachbarschaft - zwischen lokaler Identität und sozialer Kontrolle“ am 21.3. auf der FH Campus Wien,
https://www.fh-campuswien.ac.at/studium/aktuell/news-und-termine/detail/News/nachbarschaft-doerfliche-romantik-oder-governancestrategie.html

„Nachbarschaft“ wird in der Praxis der Gemeinwesenarbeit sehr unterschiedlich verstanden. Sie dient als Begriff für freiwillige stadtteilbgezogenen soziale Unterstützungsnetzwerke, sie steht für die Notwendigkeit, auf engen Raum nebeneinander leben zu können, sie ist Ausgangspunkt bzw. Vehikel für unterschiedliche partizipative Aktivitäten von Menschen in den Bezirken, sie wird als Kommunikationskultur im Wohnungsneubau gebildet, sie wird genutzt und entwickelt, um durch soziale Beziehungen die Gesundheit zu fördern, oder sie wird als Ausgangspunkt für die Entwicklung von Solidarität und politischen Engagement gesehen. Sie bezieht sich räumlich auf ein Stockwerk im Wohnhaus, eine ganze Stiege bzw. Wohnhausanlage bis zum Grätzel. Je nach Lebenslage gewinnt oder verliert sie an Bedeutung z.B. aufgrund der Mobilität mit kleinen Kindern oder körperlichen Einschränkungen, aber auch aufgrund der Integration in bzw. des Ausschlusses aus der Erwerbsarbeit. „Nachbarschaft“ bewegt sich zwischen Bilder einer vormodernen Dörflichkeit in der Stadt, der Sehnsucht nach sozialen Beziehungen, wenig romantischen Vorstellungen des nebeneinander Wohnens im urbanen Raum, bei der Anonymität und Vielfalt als Qualität gesehen wird und eines politischen Governance-Programms, das auf die neoliberale gesellschaftlichen Fragmentierung und Unwirtlichkeit der Städte reagieren soll. Diese letzte Deutung würde die Konjunktur der „Nachbarschaft“ erklären, die in den letzten 20 Jahren beobachtbar ist.

Die kritische Auseinandersetzung mit diesem Konzept auf der vom Masterstudiengang Sozialraumorientierte und Klinische Soziale Arbeit organisierten Campus Lectures mit dem Titel „Nachbarschaft - zwischen lokaler Identität und sozialer Kontrolle“ am 21.3. auf der FH Campus Wien, hat gezeigt, wie wichtig eine differenzierte und wissenschaftliche Beschäftigung dazu ist . Empirische Arbeiten von Absolvent_innen und Student_innen des Departements „Soziales dienten für die Diskussion auf der Veranstaltung auch als Ausgangspunkt. Barbara Eibelhuber, Absolventin des Masterstudiengangs „Sozialraumorientierte und Klinische Soziale Arbeit“ hat die Ergebnisse ihrer Masterarbeit zur Relevanz der räumlichen Nähe für das soziale Netzwerk von Bewohner_innen eines Gemeindebaus vorgestellt. Student_innen des Bachelorstudiengangs „Soziale Arbeit“ berichteten danach von den Erkenntnissen aus ihrer Forschung zu Nachbarschaft im Sozialen Wohnbau.
Anschließend fand eine Podiumsdiskussion mit Expert_innen aus der Praxis der Stadtteilarbeit statt mit Iris Heinrich vom Nachbarschaftszentrum 2 des Wiener Hilfswerk, Johannes Kellner vom Verein Lokale Agenda 21 Wien, Katharina Kirsch-Soriano von der Stadtteilarbeit der Caritas Wien. Andreas Rechling von wohnpartner des Wohnservice Wiens und Christoph Reinprecht vom Institut für Soziologie der Universität Wien.

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