„Gemeinwesenarbeit“ im Wiener rot-grünen Regierungsübereinkommen

Bekanntlich ist Papier geduldig. Aber was im Wiener rot-grünen Regierungsübereinkommen zu lesen ist, ist aus der Perspektive der Gemeinwesenarbeit doch sehr vielversprechend. Es finden sich nicht nur Begriffe wie „Sozialintegrative Stadtentwicklung & Gemeinwesenarbeit“ (Kapitel Wohnen, Wohnbau und Stadterneuerung), sondern stadtteilbezogene, gemeinwesenorientierte und partizipative Prozesse sollen explizit verstärkt werden. Kurz zusammengefasst: Die Arbeit der Gebietsbetreuung für Stadterneuerung soll programmatisch stärker als „sozialintegrative Stadtentwicklung“ ausgerichtet werden, aber weiterhin im Ressort für Wohnen verbleiben, die Lokale Agenda 21 „weiterentwickelt werden“ und die Gemeinwesenarbeit im Rahmen der Arbeit von wohnpartner im sozialen Wohnbau soll ausgebaut, aber auch im geförderten und privaten Wohnbereich entwickelt werden.

Hier einige Details dazu:

in der Präambel ist unter „…für demokratische Mitbestimmung und Beteiligung“ zu lesen:

„Die Möglichkeiten der partizipativen Demokratie werden weiterentwickelt und ausgebaut. So werden z.B. BürgerInnenversammlungen und Beteiligungsmodelle auf Bezirks- und Grätzelebene leichter initiierbar sein und gefördert, Volksbefragungen häufiger eingesetzt und auch in Bezirken oder Grätzeln möglich gemacht werden. Die Lokale Agenda 21 wird weiterentwickelt werden.“ (9)

Der Ausbau der partizipativen Demokratie wird u.a. im Kapitel „Demokratie und Kontrolle“ präzisiert: „Für die Weiterentwicklung der direkten und partizipativen Demokratie in Wien wird eine Enquete und in Fortsetzung ein regelmäßiger „Runder Tisch“ unter Einbeziehung zivilgesellschaftlicher AkteurInnen eingerichtet.“ (24)

Und weiter: „Es wird eine Koordinationsstelle für Teilhabe und BürgerInnenbeteiligung beim für diese Angelegenheiten zuständigen Stadtregierungsmitglied eingerichtet. Diese befasst sich aufbauend auf bestehenden Einrichtungen u.a. mit der Förderung von Beteiligungsmodellen für alle gesellschaftlichen Gruppen auf Bezirks- und Grätzelebene.“ (25)

Im Kapitel „Stadtentwicklung und Verkehr“ wird unter „Bürgerbeteiligung“ die Gebietsbetreuung genannt und eine Arbeitsgruppe angesprochen, die die Zukunft der LA 21 klären soll:
„Verschiedenste und sehr flexible Formen der Bürgerbeteiligung z.B. via Lokale Agenda 21 und Gebietsbetreuung sollen vor allem bei Grätzelprojekten in Bezirkskompetenz zum Einsatz kommen. Im Rahmen einer Arbeitsgruppe sollen die künftigen Entwicklungsmöglichkeiten der Lokalen Agenda 21 erörtert werden.“ (59)

Die Gebietsbetreuung für Stadterneuerung wird im Kapitel noch einmal erwähnt, nämlich in Bezug auf eine programmatischen Ausrichtung als Strategie zur Bekämpfung von Armut und soziale Ausgrenzung und auf Daten, die für stadtteilbezogene Maßnahmen erarbeitet werden sollen:

„Sozial-Integrative Stadtentwicklung:
Zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung soll verstärkt der Fokus auf eine sozial-integrative Stadtentwicklung gelegt werden. Dazu wird eine entsprechende Datenstruktur erarbeitet bzw. bereitgestellt, um eine Grundlage für konkrete stadtteilbezogene, sozialintegrative Maßnahmen zu schaffen.“ (59)

Die Gebietsbetreuung für Stadterneuerung bleibt aber dem Wohnbereich zugeordnet und soll als „sozialintegrative Stadtentwicklung auf kleinteiliger, sozialräumlicher Ebene“ (76) programmatisch ausgerichtet werden. Dabei soll die lokale Ökonomie weiterhin verstärkt Beachtung finden: „Im Zuge von Blocksanierungen soll verstärktes Augenmerk auf die Entwicklung der Erdgeschoßzonen und Nahversorgung gelegt werden. Weiters werden die bereits jetzt in den Bezirken verankerten und gut angenommen Gebietsbetreuungen STERN als neutrale, intermediäre Träger von stadtteilbezogenen Entwicklungsprozessen in den Bezirken im Rahmen einer gesamtstädtischen Strategie zur Entwicklung von Stadtteilen mit besonderem Entwicklungsbedarf aufgewertet.“ (76)

Und: „Die wichtige Arbeit der GB STERN MOBIL soll erhalten bleiben.“(76)

Im Kapitel „Wohnen, Wohnbau und Stadterneuerung“ unter „Sozialintegrative Stadtentwicklung & Gemeinwesenarbeit“ wird der Ausbau der Gemeinwesenarbeit im Rahmen der Arbeit der wohnpartner im sozialen Wohnbau, aber auch im geförderten und privaten Wohnbereich angekündigt:

„6. Sozialintegrative Stadtentwicklung & Gemeinwesenarbeit
6.1. Entwicklung eines Programms für sozialintegrative Stadtentwicklung auf kleinteiliger, sozialräumlicher Ebene.
6.2. Die Gemeinwesenarbeit in großen Wohnhausanlagen soll ausgebaut werden, wobei auf Mehrsprachigkeit und Interkulturalität besonderes Augenmerk zu legen ist.
6.3. Gemeinschaftsfördernde Maßnahmen im Neubau und Sanierung helfen die Sicherheit, die Wohnzufriedenheit und – qualität zu heben. Stärkung der Gemeinschaft im Neubau und auch bei großen Sanierungen, wo es keine angestammte Wohngemeinschaft mehr gibt.
6.4. Die MieterInnenmitbestimmungsrechte sind im Gemeindebau weiter entwickelt als in anderen Wohnbereichen. Wir treten für eine Förderung der MieterInnenmitbestimmung im privaten und geförderten Wohnbau ein.
6.5. Unterstützung der präventiven Betreuungsangebote hinsichtlich möglicher Konfliktsituationen und Nachbarschaftsprobleme im geförderten und privaten Wohnbereich analog der Wohnpartner.“ (76)


„Stadtteilprojekte“ werden aber auch unter „SeniorInnen“ im Kapitel „Gesundheit und Soziales“ genannt: „Auch Stadtteilprojekte, die systematisch Verbesserungen für ältere Menschen für ganze Wohngegenden entwickeln und ein selbstbestimmtes Wohnen auch im Alter ermöglichen, werden wichtiger“ (37)


Weitere partizipative bzw. gemeinwesenorientierte Ansätze sind in mehreren Bereichen geplant wie im Ressort „Integration, Frauenfragen, KonsumentInnenschutz, Personal“, wobei an bestehenden Ansätzen wie „Sei abei“, „aufsuchende Dialog über die Bassenagespräche“ (39-40) angeknüpft wird,
sowie im „Ressort Kultur und Wissenschaft“ (z.B. „Cash for Culture“, 49, aber auch „Agentur für Zwischennutzung“ , 52),
oder „Selbsterntebeete und Gemeinschaftgärten“ (59) im Ressort „Stadtentwicklung und Verkehr“.

Im Ressort „Wohnen, Wohnbau und Stadterneuerung“ sind außerdem die Neustrukturierung von Wiener Wohnen, die Überarbeitung des Mietermitbestimmungsstatuts, der Ausbau der Delogierungsprävention, Verstärkung der „sozialen Durchmischung“, innovative Wohnformen, „Baugruppen“ und die „Abstimmung einzelner Baulose“bei Bauträgerwettbewerben, sowie Grünraumplanung bei Bauprojekten erwähnt. (73-75).

Im Kapitel „Kinder und Jugend“ wird u.a. vom Ausbau der aufsuchenden Kinder-und Jugendarbeit entsprechend den „veränderten Lebenswelten“ und der Bedeutung der Kinder- und Jugendparlamente gesprochen (20).


Auch im Forschungsschwerpunkt „Geistes-, Sozial und Kulturwissenschaften" sollen u.a. Fragen der Demokratie, Migration, aber auch Sozialwirtschaft und Gemeinwohlökonomie betrachtet werden (54)


Das Programm bietet also viele Anknüpfungspunkte und Argumentationsgrundlagen für eine Weiterentwicklung der partizipatorischen Gemeinwesenarbeit in Wien.
Giessibl Sepp (Gast) - 29. Nov, 17:26

GWA

Servus Christoph,
vielen Dank fuer die Infos. Nicht ohne Grund sind ja die Wiener die staerkste Fraktion in MACD III.
Hab Euren Vizebuergermeister kuerzlich angeschrieben wegen meinem Forschungsprojekt "aktivierende Mieterbefragung".
Suche fuer 2011 ein unsaniertes Quartier mit 200-400Wohnungen. Naehere Infos auf Anfrage.
Herzliche Gruesse aus dem Chiemgau
Sepp
Student MACD III, EMAS-Auditor, Dipl. Ing. Architekt


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