Freitag, 1. April 2011

Freiraumgestaltung bei den Wohnbauforschungstagen

Bei der Veranstaltung Freiraumgestaltung bei den Wohnbauforschungstagen am 30.3.11 (http://www.wohnbaufestwochen.at/) ist eine Diskussion über die interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Freiraumplanung entbrannt. Ausgangspunkt waren drei Projekte, u.a. die Evaluierung des ersten offiziellen Nachbarschaftsgartens im Wiener Gemeindebau initiiert und betreut vom Verein Wirbel. Die Ergebnisse dieser internen Evaluierung unter externer Begleitung durch Julia Emprechtinger und mir seitens des Kompetenzzentrums für Soziale Arbeit am FH Campus Wien wurden von Susi Staller (Wirbel) vorgestellt. Neben der Wirkung auf die GärtnerInnen wurde die Akzeptanz in der Nachbarschaft und die Bedeutung der professionellen Begleitung des Projekts betrachtet. Diskussionspunkte gab es dazu v.a. um die Erkenntnis, dass Gemeinschaftsgärten keine „Harmonie“ zwischen unterschiedlichen BewohnerInnen-Gruppen bringt, sondern vielmehr sozialräumliche Prozesse thematisieren, die ohnenhin in der Nachbarschaft vorhanden sind. Abgrenzungen zwischen Gruppen wurden durch den Garten sichtbarer, dafür auch besser bearbeitbar. Diskutiert wurde auch darüber, ob die „Mischung“ der GärtnerInnen gesteuert werden soll und kann. Die Evaluierung empfiehlt einen sensiblen Umgang und darauf zu achten dass unterschiedliche Gruppen Zugang zum Garten haben (die Präsentationsfolien finden sich auf http://www.wohnbaufestwochen.at/ ).

Die beiden anderen Projekte „Drehbuch Freiraum“ von János Kárász und „Freiraumsanierung in Wiener Gemeindebauten“ von Karin Standler, erweiterten den Blick auf den Freiraum im sozialen Wohnbau. Beide Projekte haben konventionelle Bilder über die Nutzung von Höfen aufgebrochen und damit Potenziale aufgezeigt. Rund um diese Projekte entbrannte eine Auseinandersetzung über NutzerInnen- und bedürfnisorientierter Planung auf der einen Seite und professionelle Planung mit einem Blick auf das Gesamte und die Ästhetik auf der anderen Seite. Einzelne Stimmen (z.B. Jutta Kleedorfer) meinten, dass es weniger um ein „entweder – oder“ gehen kann, sondern eine Ergänzung und ein Zusammenspiel beider Zugänge.

In Folge würde sich auch eine Diskussion darüber entschärfen, welche Disziplin für die Planung wichtiger ist, und zugunsten einer interdisziplinären bzw. sogar transdisziplinären Zusammenarbeit auflösen (so wie das rund um die Sozialraumanalyse Meidlinger Hauptstraße sehr gut gelungen ist). Aber die Diskussion an diesem Abend hat gezeigt, dass diese interdisziplinäre Verständigung offensichtlich noch viel Zeit und Raum braucht.

Partizipation als Chance und Herausforderung

Ich hatte die Ehre einen Kommentar für die österreichische Monatszeitung in türkischer und deutscher Sprache „öneri“ (http://www.oneri.at/index.php). In meinem blog ist er nun ebenfalls nachzulesen:

„Demokratisierung“ ist seit kurzem wieder in aller Munde. Nicht nur in der arabischen Welt fordern Menschen, die Gesellschaft mitzugestalten. Auch in Wien ist im neuen rot-grünen Regierungsprogramm viel von Demokratie und Partizipation zu lesen. Aber warum spielt dieses Thema auch in Österreich ein Rolle, wo es doch ein funktionierendes demokratisches System gibt, wo freie Wahlen stattfinden, wo politische Repräsentanten unterschiedliche Meinungen vertreten, wo Themen öffentlich diskutiert werden und gesellschaftliche Interessen in Gesetzen geregelt werden? Tatsächlich wird auch in westlichen Demokratien von der Krise der Demokratie geredet. Die Ursachen für diese Krise dürften vielfältig sein. Die Verschiebung der Machtverhältnisse von der Politik zur Wirtschaft in einer neoliberalen Gesellschaft spielt dabei eine ebenso gewichtige Rolle, wie die Globalisierung der Wirtschaft und des Kapitals. Die Welt ist komplizierter geworden, die Demokratie hingegen sind historisch stark mit dem System der Nationalstaaten verknüpft. Demokratische Institutionen wie das Parlament, sowie die politischen Parteien scheinen in dieser Welt an Macht zu verlieren. Viele Menschen haben das Gefühl, dass sich „die Politik“ von den Menschen entfernt hat. „Das Gemeinsam“ bzw. „das Gemeinwohl“, das durch die Demokratie geschaffen werden soll, wird in unserer Konkurrenzgesellschaft überhaupt als anstrebenswertes Ziel in Frage gestellt.

Partizipation wird von manchen als ein möglicher Lösungsansatz in Zeiten der Krise der Demokratie gesehen. „Partizipation“ heißt dann, dass Menschen am Gemeinsamen, am Staat, an der Politik und an der Entwicklung der Gesellschaft aktiv beteiligt werden - dass Menschen artikulieren, was sie brauchen und wollen, dass deren Interessen einfließen in die repräsentative Demokratie. Wenn Menschen sich beteiligen, teilhaben, sich als Teil der Gesellschaft fühlen, dann stärkt das das Gemeinsame und die Demokratie – so die Hoffnung.

Naheliegend erscheint dabei, dass Menschen verstärkt in die Gestaltung des unmittelbaren Umfelds, des Stadtteils, der Kommunen verstärkt einbezogen werden – einerseits weil das Lokale überschaubarer ist, gestaltbar erscheint, andererseits, weil Menschen zusehends auch mehr einfordern, ihr unmittelbares Umfeld zu gestalten – Stuttgart 21 kann hier ebenso genannt werden, wie der Augarten in Wien, oder der Bau von Moscheen. Aber an dieser Stelle wird auch deutlich, dass nicht alle Probleme über die Beteiligung der BürgerInnen gelöst werden können. Die gewählten RepräsentantInnen müssen möglicherweise ihr Selbstverständnis verändern. Sie haben in partizipativ ausgerichteten Demokratien vielleicht nicht nur die Aufgabe, für die WählerInnen zu sprechen, sondern darauf zu achten, dass Menschenrechte und die Rechte von Minderheiten geachtet werden und einfließen können. Eine partizipativ ausgerichtete Demokratie ist somit konfliktreich – ein Zugang der Aushandlung auch entgegengesetzter Interessen. Der Ausbau partizipativer Elemente in unseren Demokratien wirft allerdings weitere schwierige Fragen auf: Welche Fragen sollen partizipativ behandelt werden? Wer soll letztendlich entscheiden und die Verantwortung tragen, welche Instrumente der partzipativen Demokratie (von Aushandlungsprozessen im Stadtteil, über kommunale partizipative Budgets bis zur Volksbefragung) sind für welche gesellschaftlichen Fragen (von der Gestaltung eines Parks, über die Stadtteilgestaltung und die Schule bis zur Verkehrsplanung) geeignet? Und sollen Menschen nur auf lokaler Ebene direkt partizipiert werden? Gibt es räumliche Grenzen? Sollen gesamtstädtische Themen auch partizpativ behandelt werden und wie? Und wie sollen die unterschiedlichsten Interessensgruppen, und v.a. auch die beteiligt werden, die sich schwerer tun, sich in den öffentlichen Diskurs einzubringen?

Partizipation, die Beteiligung von Menschen ermöglicht also, dass menschliche und Gemeinwohl-Interessen gestärkt werden – auch gegenüber einseitigen ökonomischen Interessen. Allerdings stellen sich viele Fragen, wie partizipative Demokratie organisiert werden kann. Fragen die geklärt werden müssen, wenn Partizipation wirksam sein soll.

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