Partizipation als Chance und Herausforderung

Ich hatte die Ehre einen Kommentar für die österreichische Monatszeitung in türkischer und deutscher Sprache „öneri“ (http://www.oneri.at/index.php). In meinem blog ist er nun ebenfalls nachzulesen:

„Demokratisierung“ ist seit kurzem wieder in aller Munde. Nicht nur in der arabischen Welt fordern Menschen, die Gesellschaft mitzugestalten. Auch in Wien ist im neuen rot-grünen Regierungsprogramm viel von Demokratie und Partizipation zu lesen. Aber warum spielt dieses Thema auch in Österreich ein Rolle, wo es doch ein funktionierendes demokratisches System gibt, wo freie Wahlen stattfinden, wo politische Repräsentanten unterschiedliche Meinungen vertreten, wo Themen öffentlich diskutiert werden und gesellschaftliche Interessen in Gesetzen geregelt werden? Tatsächlich wird auch in westlichen Demokratien von der Krise der Demokratie geredet. Die Ursachen für diese Krise dürften vielfältig sein. Die Verschiebung der Machtverhältnisse von der Politik zur Wirtschaft in einer neoliberalen Gesellschaft spielt dabei eine ebenso gewichtige Rolle, wie die Globalisierung der Wirtschaft und des Kapitals. Die Welt ist komplizierter geworden, die Demokratie hingegen sind historisch stark mit dem System der Nationalstaaten verknüpft. Demokratische Institutionen wie das Parlament, sowie die politischen Parteien scheinen in dieser Welt an Macht zu verlieren. Viele Menschen haben das Gefühl, dass sich „die Politik“ von den Menschen entfernt hat. „Das Gemeinsam“ bzw. „das Gemeinwohl“, das durch die Demokratie geschaffen werden soll, wird in unserer Konkurrenzgesellschaft überhaupt als anstrebenswertes Ziel in Frage gestellt.

Partizipation wird von manchen als ein möglicher Lösungsansatz in Zeiten der Krise der Demokratie gesehen. „Partizipation“ heißt dann, dass Menschen am Gemeinsamen, am Staat, an der Politik und an der Entwicklung der Gesellschaft aktiv beteiligt werden - dass Menschen artikulieren, was sie brauchen und wollen, dass deren Interessen einfließen in die repräsentative Demokratie. Wenn Menschen sich beteiligen, teilhaben, sich als Teil der Gesellschaft fühlen, dann stärkt das das Gemeinsame und die Demokratie – so die Hoffnung.

Naheliegend erscheint dabei, dass Menschen verstärkt in die Gestaltung des unmittelbaren Umfelds, des Stadtteils, der Kommunen verstärkt einbezogen werden – einerseits weil das Lokale überschaubarer ist, gestaltbar erscheint, andererseits, weil Menschen zusehends auch mehr einfordern, ihr unmittelbares Umfeld zu gestalten – Stuttgart 21 kann hier ebenso genannt werden, wie der Augarten in Wien, oder der Bau von Moscheen. Aber an dieser Stelle wird auch deutlich, dass nicht alle Probleme über die Beteiligung der BürgerInnen gelöst werden können. Die gewählten RepräsentantInnen müssen möglicherweise ihr Selbstverständnis verändern. Sie haben in partizipativ ausgerichteten Demokratien vielleicht nicht nur die Aufgabe, für die WählerInnen zu sprechen, sondern darauf zu achten, dass Menschenrechte und die Rechte von Minderheiten geachtet werden und einfließen können. Eine partizipativ ausgerichtete Demokratie ist somit konfliktreich – ein Zugang der Aushandlung auch entgegengesetzter Interessen. Der Ausbau partizipativer Elemente in unseren Demokratien wirft allerdings weitere schwierige Fragen auf: Welche Fragen sollen partizipativ behandelt werden? Wer soll letztendlich entscheiden und die Verantwortung tragen, welche Instrumente der partzipativen Demokratie (von Aushandlungsprozessen im Stadtteil, über kommunale partizipative Budgets bis zur Volksbefragung) sind für welche gesellschaftlichen Fragen (von der Gestaltung eines Parks, über die Stadtteilgestaltung und die Schule bis zur Verkehrsplanung) geeignet? Und sollen Menschen nur auf lokaler Ebene direkt partizipiert werden? Gibt es räumliche Grenzen? Sollen gesamtstädtische Themen auch partizpativ behandelt werden und wie? Und wie sollen die unterschiedlichsten Interessensgruppen, und v.a. auch die beteiligt werden, die sich schwerer tun, sich in den öffentlichen Diskurs einzubringen?

Partizipation, die Beteiligung von Menschen ermöglicht also, dass menschliche und Gemeinwohl-Interessen gestärkt werden – auch gegenüber einseitigen ökonomischen Interessen. Allerdings stellen sich viele Fragen, wie partizipative Demokratie organisiert werden kann. Fragen die geklärt werden müssen, wenn Partizipation wirksam sein soll.

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