Wissenschaftlicher Austausch El Salvador – Österreich

Im Rahmen des appear-Programms des OEADs durfte ich, gemeinsam mit Elfi Fröschl und unter der Leitung von Eva Klawatsch-Treitl El Salvador besuchen und die Soziale Arbeit, sowie das Studium der Sozialen Arbeit kennen lernen. Die Hochschulkooperation zwischen der Unversidad Luterana Salvadoreña (ULS) und des FH Campus Wien, Bachelor-Studiengang „Soziale Arbeit“ hat zum Ziel, in Bezug auf die Lehre in der Sozialen Arbeit voneinander zu lernen. Das Projekt nahm dabei folgende Themen in den Blick: „Gemeinwesenarbeit“ in El Salvador und in Österreich, „häusliche Gewalt“ in beiden Ländern und studentische Forschung im Rahmen des Studiums. Besonders beeindruckend war, wie unglaublich engagiert die Kolleg_innen, insbesondere unsere Ansprechpartnerin auf der ULS, Eneyda Arteaga und die Student_innen sich ins Projekt eingebracht haben.

Die Studierenden haben im Rahmen ihrer Praktikas Projekte zu unterschiedlichen Themen und in unterschiedlichen Gebieten in El Salvador in Stadt und Land entwickelt und durchgeführt. Dabei gingen sie systematisch, zuerst analytisch vor, um dann die Projekte entwickeln und umsetzen zu können. Sie beschäftigten sich mit Wohnungslosigkeit in San Salvador, mit der demokratischen Organisation einer ganzen Siedlung, mit Empowerment von Frauen und u.a. mit der Bedrohung einer Siedlung durch Hochwasser.
An diesen Beispielen wird das Verständnis der ULS zu Sozialer Arbeit bzw. Gemeinwesenarbeit deutlich. Ausgehend von konkreten Fragestellungen von Menschen, geht es darum, das diese ihre Interessen artikulieren und organisieren können. Durch die Veröffentlichung dieser Interessen, werden sie vergesellschaftet. Es geht nicht nur darum, dass Menschen sich zusammenschließen, um die individuelle Lebenssituation bzw. die Lebenssituation des Gemeinwesens zu verbessern, sondern daraus auch Forderungen für die Entwicklung des Sozialstaats abzuleiten und in die politische Diskussion bis zur Gesetzgebung einzubringen (z.B. für ein Gewaltschutzgesetz). Die ULS verschreibt sich dabei den sozialen Wandel – durchaus im interdisziplinären Sinn der unterschiedlichen Studiengängen: http://uls.edu.sv/

Ein wesentlicher Aspekt der Kooperation war es, eine gemeinsame Sprache zu finden. Es stellte sich die Frage, wie Soziale Arbeit in El Salvador im Vergleich zu Österreich verstanden wird. Dieser Diskurs kann nur geführt werden, wenn der jeweilige gesellschaftliche Kontext auch betrachtet wird.
Zu dieser Fragestellung haben Student_innen der ULS eine systematische Literaturarbeit unter Anleitung von Eneyda Arteaga durchgeführt. Tatsächlich zeigen sich Parallelitäten in Bezug auf das theoretische Verständnis von El Salvador und dem deutschsprachigen Raum – aber auch große Unterschiede. Auf den ersten Blick fällt auf, dass die international gültigen Standards, wie die internationale Definition der IFSW (International Federation of Social Workers) , und auch die Grundlagen des professionellen Handelns (Einzelfallhilfe, Arbeit mit Gruppen und mit dem Gemeinwesen), wichtige Bezugspunkte sind. Die Soziale Arbeit in El Salvador ist in Bezug auf ihr theoretisches Verständnis stark von den USA beeinflusst (z.B. Mary Richmond und Murray Ross). Andererseits gibt es Einfluss v.a. aus Südamerika (u.a. Paulo Freire und Fals Borda). Eine Systematisierung der Lehre der Sozialen Arbeit für El Salvador wurde im Rahmen der internationalen Tagung 22.1. - 24.1.2014 auf der ULS insbesondere durch die Arbeit von Eneyda Arteaga und ihrer Student__innen vorgenommen – was überaus bemerkenswert war. Diese Tagung war die erste Tagung im Rahmen der Sozialen Arbeit in El Salvador seit Jahrzehnten. Die ULS hat dadurch einen bedeutenden Einfluss auf den wissenschaftlichen Diskurs zu Sozialer Arbeit in El Salvador eingenommen. Die Tagung wurde dokumentiert: http://uls.edu.sv/trabajosocial/
Eine weitere Auseinandersetzung mit der Theorie und der Praxis der Sozialen Arbeit in El Salvador, im Vergleich zu Österreich wird im weiteren Verlauf des Projekts statt finden. Im Mai wird eine Delegation von Kolleg_innen aus El Salvador nach Wien kommen und eine öffentliche Tagung organisiert.

Wirklich beeindruckt hat mich die Kraft der Menschen in El Salvador. Das Land hat einen sehr langen Bürgerkrieg und jahrzehntelange Unterdrückung und Verfolgung von Widerstand hinter sich. Eine Allianz von Großgrundbesitzern, Militärs und der USA haben die ökonomische und soziale Ungleichheit mit brutalsten Mitteln (Morde, Entführungen, Folter) aufrecht erhalten. Aber es ist einfach unglaublich, wie stark die Menschen sich hier gewehrt haben und das immer noch tun. Sie haben dich im Rahmen der linksgerichteten FMLN zusammengeschlossen, bewaffneten und politischen Widerstand geleistet. Inzwischen findet der Kampf unbewaffnet statt – und am Sonntag, 2.2 (heute!). finden Präsidentschaftswahlen statt. Die rechtsgerichtete Allianz ARENA ist nach wie vor politisch tätig und sogar zweitstärkste Kraft im Land. Mit Spannung ist das Ergebnis der Wahl also abzuwarten.


http://www.appear.at/appear_infos/

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