öffentlicher Raum

Mittwoch, 6. Dezember 2017

Festrede zu sam. Erwartungen treffen auf Haltungen. 10 Jahre Mobile Soziale Arbeit im Öffentlichen Raum

Sozialräumliche Exklusion vs. integrative Urbanität.
Herausforderungen der Teilhabe marginalisierter Menschen an der wachsenden Stadt -
Perspektiven einer Mobilen Sozialen Arbeit im Öffentlichen Raum.

Festrede zu
sam. Erwartungen treffen auf Haltungen. 10 Jahre Mobile Soziale Arbeit im Öffentlichen Raum.

Jubiläumsveranstaltung am Di., 28. 11.2017, von 16:00 bis 18:00 Uhr
im ega, 1060, Windmühlgasse 26

Danke für Einladung! Es ist eine große Ehre für mich, anlässlich der Feier zur 10 Jährigen Arbeit der Mobilen Soziale Arbeit im Öffentlichen Raum diesen Redebeitrag halten zu dürfen. Als Koordinator für den sozialräumlichen Zweiges des Masterstudiengangs Sozialraumorientierte und Klinische Soziale Arbeit auf der FH Campus Wien beschäftige ich mich ja schon lange mit der sozialen Arbeit im öffentlichen Raum – umso mehr freue ich mich, dass ich aus dieser kritischen Position diese Rede halten darf! Ich werde über
Herausforderungen der Teilhabe marginalisierter Menschen an der wachsenden Stadt
reden. Dazu möchte ich 2 Vorbemerkungen machen:
1. Wien ist eine der reichsten Städte der Welt – Wien ist jetzt schon länger auf Platz 1 des Städterankings der Mercer-Studie, die Wien v.a. aus der Perspektive des ausländischen Personals auf Managementebenen betrachtet. Aber auch, wenn das eine eingeschränkte Sichtweise darstellt, weil weniger die Situation der Wohnbevölkerung betrachtet wird, zeigt dies die hohe Lebensqualität und den Reichtum, die wir in Wien finden.
2. Wien wandelt sich seit 1989 zu einer internationalen – eigentlich globalen Stadt. Von globalen Städten wissen wir, dass sie Anziehungspunkte sind – für die Binnenmigration und die internationale Migration. Hier gibt es nicht nur Reichtum, sondern hier gibt es v.a. Arbeitsplätze. Eine globale Stadt zieht billige Arbeitskräfte an und u.a. Konzerne brauchen diese auch, für billige Dienstleistungen, für die Versorgung, für die Reinigung, für Botendienste und die Gastronomie. Aber auch von Armut betroffene Menschen werden von reichen Städten angezogen. Ihnen fällt etwas vom Wohlstand dieser Städte ab.
In der modernen großen Stadt ist es Normalität, dass diese internationaler wird, vielfältiger aber auch stärker von sozialer Ungleichheit geprägt ist.
Diese Städte sind auch mehr dazu gezwungen mit Armut umzugehen, darüber nachzudenken, wie diese Armut eingedämmt werden kann. Das spüren wir jetzt ja auch in der Mindestsicherungsdebatte, die Wien besonders trifft: Weniger Unterstützung wird noch mehr Armut auf der Straße bedeuten.
Die Armut auf der Straße ist aber auch auf andere Weise ein Ausdruck des Reichtums der Stadt: Steigenden Boden- und Immobilienpreise in einer wachsenden Stadt machen es schwerer, leistbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Der Profit auf der einen Seite führt zu mehr Armut auf der anderen Seite, die in der Folge auch stärker auf der Straße sichtbar wird.

In der Folge spreche ich nun von Menschen, die von Armut betroffen sind – und im öffentlichen Räumen sichtbar werden. Ich bleibe hier in Anbetracht der Kürze der Zeit ungenau – natürlich sieht Armut unterschiedlich aus – das zeigt sich nicht nur in Wohnungslosigkeit, sondern z.B. auch in engen Wohnraum. Ich bleib da jetzt aber etwas oberflächlich.

Die im öffentlichen Raum sichtbarere Armut ist in der Folge Gegenstand von öffentlichen Auseinandersetzungen. Man_frau will sie nicht sehen, man_frau fühlt sich dadurch gestört – vielleicht sogar bedroht im eigenen Wohlstand, bzw. in der eigenen sozialen Absicherung. Das zeigt sich auch in Normalitätsvorstellungen, die sich gegen diese Armen richten. Armut wird zwar oft in einem von der Norm abweichenden Verhalten sichtbar – aber diese Verhaltensweisen sind kaum tatsächlich bedrohlich, sondern vielleicht manchmal unangenehm.
Trotzdem wird über diese abweichenden Verhaltensweisen ein Diskus über die subjektive Sicherheit inszeniert – einerseits weil er sich medial gut verkaufen lässt. Medien profitieren von der Debatte über die subjektive Sicherheit. Andererseits werden damit auch Wahlen gewonnen, wenn manche Politiker*innen sich damit zu den Hüter*innen der subjektiven Sicherheit inszenieren. Mit dieser Rede von den unsicheren öffentlichen Räumen und der subjektiven Sicherheit werden Arme bekämpft und leider nicht die Armut. Von Armut betroffen Menschen sollen sich „richtig“ verhalten – und es entsteht der Druck, sie zu verdrängen, sie unsichtbar werden zu lassen.
Die Armen zu bekämpfen ist anscheinend leichter oder zumindest opportuner als die Armut zu bekämpfen – besonders in diesem internationalen Kontext, der zugegebenerweise auch nicht unkomplex ist. An dieser Stelle möchte ich mich jetzt aber einmal bei allen Kräften der sozialen Arbeit, der Medien und der Wiener Politik bedanken, die das anders sehen, die sich für marginalisierte Menschen einsetzen und Angebote schaffen – allen voran sam und der zuständigen Stadträtin.

Grotesk bei dieser öffentlichen Debatte um die Unsicherheit ist ja, dass die Menschen, die von Armut betroffen sind, die sind, die tatsächlich in ihrer Sicherheit gefährdet sind. Sie sind gefährdet krank zu werden, sie sind auch tatsächlich viel stärker von Gewalt im öffentlichen Raum gefährdet. Aber sie sind v.a. vielfach ausgeschlossen vom Zugang zu einer menschenwürdigen Versorgung mit Wohnraum, mit privaten Rückzugsbereichen, mit Zugang zu gesunder Ernährung, mit Zugang zu Erwerbsarbeit und Einkommen. Oft bleibt ihnen nur noch der öffentliche Raum, in dem sie zumindest ein bisschen Teil dieser Gesellschaft bleiben können.

Mit Blick auf den öffentlichen Raum: Hier stellt sich eine nächste Herausforderung: Globale wachsende Städte erleben auch einen Druck auf die öffentlichen Räume – einerseits, weil mit öffentlichen Räumen auch Geschäfte gemacht werden kann (Stichwort: Gastgärten, Tourismus, Geschäftsstraßen, Aufwertung von Immobilien). Hier werden marginalisierte Menschen dann als „Störung“ für die Geschäfte definiert. Und der öffentliche Raum wird durch diese Kommerzialisierungsinteressen gleichzeitig gefährdet und knapper. Außerdem wird der öffentliche Raum auch knapper, weil in wachsenden Städten immer mehr Menschen auf dichten Raum leben und die Ansprüche auf diese Räume immer größer und vielfältiger werden. Dabei sind Menschen die von Armut betroffen sind, besonders auf den öffentlichen Raum angewiesen. Für sie ist dieser Raum oft der einzige Raum, in dem sie sich aufhalten können. Er ist der Ort, an dem sie soziale Beziehungen pflegen können. Aber er ist auch der Raum, in dem sie zumindest in einem Teilbereich der Gesellschaft noch teilhaben können, als Teil der Öffentlichkeit und der Konsumgesellschaft.
Die Verdrängung marginalisierter Menschen an den Rand, in die Peripherie, löst nicht nur keine Probleme, sondern ist in hohem Maße ungerecht, weil das Menschen trifft, denen dadurch die Teilhabe an dieser Gesellschaft noch mehr genommen wird.

Verdrängung und Bettelverbote sind aus dieser Perspektive zynisch – sie werden damit argumentiert, dass sich Kund*innen, Bürger*innen gestört fühlen – das ist absurd – die „Störung“ ist unverhältnismäßig zu der Not der Menschen, die betteln. Die, die Bettelverbote fordern oder umsetzen, missachten ihre Verantwortung, die sie gegenüber der Allgemeinheit haben, wenn sie dem Druck von Medien oder einzelnen Beschwerdeführer*innen nachgeben. Sie verabschieden sich von Werten des Allgemeinwohls, einer gerechten Gesellschaft und der Toleranz einer demokratischen Gesellschaft, wenn sie sich für Bettelverbote und Verdrängung aussprechen.

Ich versuche jetzt noch zwei Lösungsansätze bzw. Perspektiven zu formulieren:

1. Aus der Analyse folgernd muss eine Stadt ein Interesse haben, dass öffentliche Räume erhalten bleiben für diverse urbane – heißt widersprüchliche Nutzungen – auch für von Marginalisierung betroffenen Menschen – das ergibt sich aus einem Gebot der Menschlichkeit und der Menschenwürde. Aber es ermöglicht auch mehr, dass Menschen wieder Anschluss finden können an die Gesellschaft. Im öffentlichen Raum befinden sie sich in einer Form eines sozialen Netzes. Hier bleiben sie sichtbar. Hier können sie von der sozialen Arbeit angesprochen werden. Hier können Angebote gemacht werden. Eine Stadt, die zentrale Plätze für marginalisierte Menschen erhält und vorsieht leistet einen Beitrag für deren Integration, für eine Deeskalation und sozialen Frieden.
Ich möchte an dieser Stelle an das Mission Statement der Sozialen Arbeit im öffentlichen Raum hinweisen, dass von 5 Stadträt*innen unterschrieben wurde und in dem sich ein Bekenntnis enthält, dass der öffentliche Raum für die erhalten bleiben muss, die besonders auf ihn angewiesen sind.

2. Wir müssen lernen, urbane Gelassenheit und neue urbane Kompetenzen zu entwickeln. Wir müssen es in dieser Gesellschaft lernen, Widersprüchlichkeit auszuhalten – Vielfalt, Widersprüchlichkeit, aber leider auch soziale Ungleichheiten gehören eben zu einer reichen internationalen Stadt im Kapitalismus. Diese urbanen Kompetenzen müssen wir in Bezug auf die öffentliche Debatte, die Medien ebenso entwickeln, wie Politiker*innen und wir alle, die in dieser Stadt leben. Hier haben Medien und die Politik eine Verantwortung. Und wir müssen uns dafür stark machen, dass diese Verantwortung (wieder) wahrgenommen wird. Ich weiß – ich bin hier sehr normativ – und ich fordere hier etwas, was entgegen meiner eigenen Analyse oben steht. Aber umso mehr will ich diese Forderung nach gesellschaftlicher Verantwortung hier nicht aufgeben.

Am Schluss will ich jetzt noch über die Bedeutung der Sozialen Arbeit im öffentlichen Raum reden:

Die Soziale Arbeit im öffentlichen Raum kann genau dazu einen Beitrag leisten – also für die Teilhabe marginaliaiserter Menschen und für die Entwicklung urbaner Kompetenzen – und das tut sie jetzt auch schon seit 10 Jahren – dafür möchte ich „sam“ danken.
Dafür dass sie Bildungsprozesse für die Entwicklung urbaner Kompetenzen gestaltet,
dafür dass sie Menschen, die am Rand der Gesellschaft sind, beraten und unterstützen, sowie an die richtigen Stellen weitervermitteln;
aber auch dafür, dass sie sich dafür einsetzen, dass diese Menschen weiterhin im öffentlichen Raum bleiben können, dass diese Räume erhalten bleiben und auch so gestaltet sind, dass ein Aufenthalt von Menschen mit unterschiedlichsten Interessen im öffentlichen Raum möglich ist.
Die „Mobile Soziale Arbeit im Öffentlichen Raum“ kann hier eine wirklich wichtige Rolle dabei spielen, diese Stadt so mitzugestalten, dass sie den Anspruch auf Menschlichkeit und einer integrativen Stadtgesellschaft nicht verliert.
Vielen Dank und alles Gute für die kommenden 10 Jahre!

Christoph Stoik
Wien, 28.11.17

zwei weitere links zum Thema:
Positionspapier der OGSA zur Sozialen Arbeit im öffentlichen Raum: https://www.ogsa.at/arbeitsgemeinschaften/ag-sozialer-raum/

Mission Statement und Glossar zu sozialer Arbeit im öffentlichen Raum der Stadt Wien: https://www.wien.gv.at/gesellschaft/soziale-arbeit/index.html

Samstag, 19. Oktober 2013

Öffentlicher Raum für ökonomische Interessen oder für Alle?

Es ist in Wien leider immer öfter zu beobachten, dass sich ökonomische gegen menschliche Bedürfnisse durchsetzen, wenn es um den öffentlichen Raum geht. Die Menschen (Wohnungslose, Drogenkranke, Bettler_innen, Sexarbeiter_innen, ...) verschwinden ja nicht, sondern werden von Orten verdrängt, an denen Geschäfte gemacht werden sollen, um an anderen Orten wieder aufzutauchen - verteilt in ganz Wien und im Park um die Ecke. Dabei ist gerade der zentrale städtische öffentliche Raum, der von allen genutzt, der weniger wohnortnah ist, der ein Verkehrsknotenpunkt ist und von der Allgemeinheit bezahlt wird, der Raum, der häufig besonders geeignet für marginalisierte Menschen ist. Er bietet Schutz, und ist ja konzipiert, um von den unterschiedlichsten Menschen mit unterschiedlichsten Bedürfnissen genutzt werden kann. Hier bildet sich die Vielfalt und Widersprüchlichkeit einer wachsenden und "globalen" Stadt ab. Er wird nicht von der Allgemeinheit bezahlt, damit Private ökonomische Gewinne erzielen können.
Erstaunlich dabei ist, dass sich die politischen Kräfte dabei nicht gegen die ökonomischen durchsetzen können, v.a. weil die Rechnung der Verdrängung ja nicht nur die Allgemeinheit zahlen muss, sondern auch die Politik. Die Armut wird durch die Vertreibung ja nicht versteckt (außer vielleicht vor Touristen), sondern nur überallhin verteilt.
Glücklicherweise gibt es aber auch politische Kräfte, die explizit darauf verweisen, dass der öffentliche Raum besonders denen erhalten bleiben muss, die besonders auf ihn angewiesen sind, die sonste wenig Raum haben - darauf verweist Leitbild für den öffentlichen Raum
( http://www.wien.gv.at/stadtentwicklung/strategien/freiraum-stadtraum-wien.html ), oder die Studie "Planen - aber sicher!
( http://www.wien.gv.at/stadtentwicklung/studien/b008269.html ), das Mission Statement und Glossar für Soziale Arbeit
( http://www.sozialraum.de/soziale-arbeit-im-oeffentlichen-raum-glossar.php ). Das aber hat nur Wirksamkeit, wenn immer wieder neu darauf hingewisen wird, wie kurzsichtig eine Verdrängungspolitik ist. Daher danke für diese fb-Gruppe:
https://www.facebook.com/wienerstadtpark?hc_location=stream
Christoph Stoik

Sonntag, 16. Dezember 2012

Glossar für Soziale Arbeit im öffentlichen Raum

Einladung:

(Marginalisierte) Menschen im öffentlichen Raum: Unterstützung und Vermittlung

Das Glossar „Soziale Arbeit im öffentlichen Raum“ als Beispiel der Zusammenarbeit zwischen Fachhochschule, Praxis und Politik

ZEIT: Mittwoch, 23.01.2013, 9:00 – 12:00 Uhr
ORT: FH Campus Wien, Favoritenstraße 226, 1100 Wien


Das Glossar „Soziale Arbeit im öffentlichen Raum“ wurde vom Kompetenzzentrum für Soziale Arbeit am FH Campus Wien im Auftrag der Stadt Wien erstellt. Es klärt die Positionierung der Sozialen Arbeit im öffentlichen Raum in Abgrenzung zu Ordnungsdiensten. Außerdem dient das Glossar Einrichtungen in fünf Geschäftsgruppen der Stadt Wien - von der aufsuchenden Sozialen Arbeit, über die offene Kinder und Jugendarbeit bis zur Gemeinwesenarbeit - zur Begriffsklärung und fachlichen Orientierung. Es stellt eine fachliche und politische Positionierung zur Sozialen Arbeit im öffentlichen Raum dar.

Neben der inhaltlichen Vorstellung des Glossars und dessen Bedeutung für die einzelnen Geschäftsgruppen, wird auch die Entstehung dieser Arbeitsgrundlage vorgestellt und diskutiert: als Beispiel einer Zusammenarbeit zwischen Politik, Praxis und Fachhochschule.

Bei der Veranstaltung werden Stefan Almer (MA 17 Diversität und Integration), Karl Ceplak (MA 13 Landesjugendreferent), Michael Dressel (Sucht- und Drogenkoordination Wien), Petra Engelmann (Gebietsbetreuung Stadterneuerung), Jutta Kleedorfer (MA18 Mehrfachnutzung), Tove Raiby (wohnpartner Nachbarschaftsservice im Wr. Gemeindebau), Richard Krisch und Christoph Stoik (beide FH Campus Wien), sowie Tanja Wehsely (Landtagsabgeordnete, Koordination und Leitung Beratungsgruppe, Initiatorin des Glossars) vertreten sein.

Moderiert wird die Veranstaltung von Eva Klawatsch-Treitl(FH Campus Wien).

Sonntag, 13. November 2011

Potenzial für eine kritische Fachöffentlichkeit

Die Diskussion „Stadtraum – Kontrolle – Soziale Arbeit“ am 7.11.11 im Depot in Wien, veranstaltet von KRISO, Kritische Soziale Arbeit war ein starkes Lebenszeichen für eine kritische Fach-Öffentlichkeit. Eingeleitet durch Inputs von Ellen Bareis von der FH Ludwigshafen am Rhein und Marc Diebäcker, von kriSo, sowie vom FH Campus Wien kam es zu einer lebhaften Diskussion über die Aufgabe der Sozialen Arbeit im öffentlichen Raum. Deutlich wurde dabei, dass es ständige Reflexion braucht, um Kontrollfunktionen nicht unkritisch zu übernehmen. Einerseits wurde anerkannt, dass Soziale Arbeit Kontrollfunktionen im Rahmen eines Sozialstaats zwar übernimmt, aber sich auch immer die Frage stellt, zu welchen Schutz bzw. zu welchen Nachteil das Handeln im Rahmen der Sozialen Arbeit führt. Die Diskussionsteilnehmer_innen waren sich weitgehend einig, dass Soziale Arbeit nicht die Aufgabe hat, Regeln durchzusetzen, sondern die Menschen unterstützen muss, die besonderen Anspruch auf den öffentlichen Raum haben und besonderen Schutz benötigen. Viele Projekte im öffentlichen Raum sind allerdings aus abweichender Motivation entstanden. Die Öffentlichkeitsarbeit beispielsweise zu „fairplay“ oder „wohnpartner“ weicht daher teilweise stark von der Praxis der Projekte ab. Während bei diesen Projekten parteiliches, unterstützendes und vermittelndes Handeln praktiziert wird, wird in der Öffentlichkeit die kontrollierende Funktion vermittelt. Ähnlich dürfte die Situation auch bei „sam“ liegen. Aufgabe einer Fachöffentlichkeit müsse es daher sein, die Praxis der Sozialen Arbeit im öffentlichen Raum differenziert darzustellen. Das zeige sich auch rund um die neuen Prostitutionsgesetzen, zu denen es kaum breite differenzierte öffentliche Diskussionen gab. Die Veranstaltung im Depot hat allerdings eindrücklich gezeigt, dass Potenzial für eine kritische und differenzierte Fachöffentlichkeit in Wien besteht, was auch der Gast aus Ludwigshafen, Ellen Bareis beeindruckt hat – immerhin waren alle Sitzplätze besetzt und das Depot war voll.

http://www.kriso.at/index.php?id=49

Dienstag, 14. Juni 2011

Soziale Einrichtungen unterstützen den sozialen Frieden im öffentlichen Raum

mein Kommentar in öneri, Mai 2011,
http://www.oneri.at/news/haberler/article/soziale-einrichtungen-unterstuetzen-den-sozialen-frieden-im-oeffentlichen-raum.html

Seit Anfang Mai sind in den Sommermonaten wieder vermehrt Dienste im öffentlichen Raum unterwegs, ausgerüstet mit eigenen Jacken, Taschen, Rucksäcken und Fahrrädern. Sie heißen „WasteWatcher“, „Ordnungsberater“, „Fair-Play“ und „wohnpartner unterwegs“. Im Vorjahr entstand für viele der Eindruck, dass es dabei um eine Wahlkampfstrategie handelte, mit der gezeigt werden sollte, dass für Ruhe und Ordnung im öffentlichen Raum gesorgt wird. Ein Jahr später kann das differenzierter betrachtet und diskutiert werden. Tatsächlich nämlich unterscheiden sich die Angebote sehr stark voneinander – nämlich als Einrichtungen, die tatsächlich auf die Einhaltung von Regeln und Ordnung achten und auch über Sanktionsmöglichkeiten verfügen. Andererseits als Angebote der sozialen Arbeit, die das Zusammenleben unterschiedlicher Menschen im öffentlichen Raum mit kommunikativen Mitteln verbessern sollen. Die „Ordnungsberater“ von Wiener Wohnen beispielsweise haben die Aufgabe, die Einhaltung der Hausordnung zu kontrollieren und bei Verstöße zu sanktionieren.

„Wohnpartner“ hingegen, eine Einrichtung des „Wohnservice Wien“, ist in den Wohnhausanlagen der Gemeinde Wien unterwegs, um mit den Menschen zu reden, sie bei Ihren Anliegen zu unterstützen, sie bei Beschwerden an die richtigen Stellen zu weiterzuleiten und zu vermitteln, wenn es mal Konflikte in den Höfen gibt. „Wohnpartner“ unterstützt die Menschen im Gemeindeau im ganzen Jahr. Sie helfen bei der Konfliktregelung, u.a. bei Nachbarschaftskonflikten. Es wird aber auch „gemeinwesenorientiert“ gearbeitet. Dabei werden die Menschen dabei unterstützt, ihre Anliegen in Bezug auf ihr Wohnumfeld zu artikulieren, sich zu organisieren und sich für ihre Anliegen einzusetzen. In den warmen Jahreszeiten sind die „wohnpartner-MitarbeiterInnen“ verstärkt in den Wohnhausanlagen anzutreffen – auch in den Abendstunden.

„Faiplay“ hingegen, eine von der MA 13 (Bildung und außerschulische Jugendbetreuung) und den jeweiligen Bezirken finanzierte Einrichtung, soll ein rücksichtsvolles Zusammenleben im öffentlichen Raum, insbesonders in den Parks fördern. Die „Fair-Play“-Teams sind von Mai bis September in den Abendstunden in 16 Bezirken unterwegs. Sie nehmen mit den NutzerInnen des öffentlichen Raums Kontakt auf, suchen das Gespräch und vermitteln bei Konflikten. Sowohl die „Fair-Play-Teams“ als auch die Teams von „wohnpartner“ sind durch Taschen bzw. Bekleidung erkennbar. So kann jede und jeder selbst entscheiden, ob er bzw. sie Kontakt mit den MitarbeiterInnen der Dienste aufnehmen oder mit den MitarbeiterInnen reden wollen. Beide Einrichtungen sind für alle Menschen und NutzerInnen offen, „wohnpartner“ im Gemeindebau, „Fair-Play“ im sonstigen öffentlichen Raum in den Bezirken – sie reden mit allen, die das wollen. Beide Einrichtungen haben eines gemeinsam: Sie setzen keine Regeln durch und sanktionieren keine Verstöße, sondern sie wollen für mehr Verständnis untereinander sorgen. Die Idee dabei ist, dass es nachhaltiger ist, wenn Menschen sich verständigen und miteinander reden – nachhaltiger für ein gutes soziales Klima – nachhaltiger, als die Durchsetzung von Regeln von diversen Diensten. Natürlich bracht es auch diese Einrichtungen – allen voran die Polizei, wenn Gesetze gebrochen werden, und insbesondere wenn Gewalt im Spiel ist. Die Arbeit sowohl von „wohnpartner“ als auch von „Fair-Play“ ist dabei aber auch nicht immer ohne Konflikte. Beide Einrichtungen können Konflikte nicht vermeiden. Im Gegenteil: manchmal werden Konflikte erst sichtbar, wenn mit den Menschen geredet wird. Aber Konflikte die sichtbar werden, können auch ausgetragen werden, können ausverhandelt werden. Beide Einrichtungen also fördern in gewisser Weise, dass Konflikte sichtbar und bearbeitbar werden. Dabei sind beide Einrichtungen Prinzipien der sozialen Arbeit verpflichtet, unter anderem dem, denen zu helfen, die schwächer sind. So kann gesichert werden, dass nicht die aus dem öffentlichen Raum verdrängt werden, die ihn besonders brauchen – z.B. Jugendliche, weil sie zu Hause zu enge Verhältnisse vorfinden, weil sie den öffentlichen Freiraum für ihre Entwicklung benötigen. Manchmal aber sind auch andere Gruppen im Nachteil, die dann besondere Unterstützung brauchen, z.B. ältere Menschen, die sich im Park treffen, weil sie dort ihre soziale Netze pflegen können.

Die warme Saison im Vorjahr hat übrigens gezeigt, dass in Wien keinerlei „Krieg um den öffentlichen Raum“ herrscht. Das Zusammenleben funktioniert weitgehend gut. Aber natürlich treffen unterschiedlichste Interessen aufeinander – besonders im öffentlichen Raum. Und die Gefahr, dass die verdrängt werden, die den öffentlichen Raum am notwendigsten brauchen, wird tendenziell größer, was besonders bei der Neugestaltung vieler Bahnhöfe in Wien sichtbar wird. So gesehen helfen Dienste wie „Fair-Play“ oder „wohnpartner“, die soziale Qualität des öffentlichen Raums bei steigenden Nutzungsdruck zu sichern.

Freitag, 1. April 2011

Freiraumgestaltung bei den Wohnbauforschungstagen

Bei der Veranstaltung Freiraumgestaltung bei den Wohnbauforschungstagen am 30.3.11 (http://www.wohnbaufestwochen.at/) ist eine Diskussion über die interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Freiraumplanung entbrannt. Ausgangspunkt waren drei Projekte, u.a. die Evaluierung des ersten offiziellen Nachbarschaftsgartens im Wiener Gemeindebau initiiert und betreut vom Verein Wirbel. Die Ergebnisse dieser internen Evaluierung unter externer Begleitung durch Julia Emprechtinger und mir seitens des Kompetenzzentrums für Soziale Arbeit am FH Campus Wien wurden von Susi Staller (Wirbel) vorgestellt. Neben der Wirkung auf die GärtnerInnen wurde die Akzeptanz in der Nachbarschaft und die Bedeutung der professionellen Begleitung des Projekts betrachtet. Diskussionspunkte gab es dazu v.a. um die Erkenntnis, dass Gemeinschaftsgärten keine „Harmonie“ zwischen unterschiedlichen BewohnerInnen-Gruppen bringt, sondern vielmehr sozialräumliche Prozesse thematisieren, die ohnenhin in der Nachbarschaft vorhanden sind. Abgrenzungen zwischen Gruppen wurden durch den Garten sichtbarer, dafür auch besser bearbeitbar. Diskutiert wurde auch darüber, ob die „Mischung“ der GärtnerInnen gesteuert werden soll und kann. Die Evaluierung empfiehlt einen sensiblen Umgang und darauf zu achten dass unterschiedliche Gruppen Zugang zum Garten haben (die Präsentationsfolien finden sich auf http://www.wohnbaufestwochen.at/ ).

Die beiden anderen Projekte „Drehbuch Freiraum“ von János Kárász und „Freiraumsanierung in Wiener Gemeindebauten“ von Karin Standler, erweiterten den Blick auf den Freiraum im sozialen Wohnbau. Beide Projekte haben konventionelle Bilder über die Nutzung von Höfen aufgebrochen und damit Potenziale aufgezeigt. Rund um diese Projekte entbrannte eine Auseinandersetzung über NutzerInnen- und bedürfnisorientierter Planung auf der einen Seite und professionelle Planung mit einem Blick auf das Gesamte und die Ästhetik auf der anderen Seite. Einzelne Stimmen (z.B. Jutta Kleedorfer) meinten, dass es weniger um ein „entweder – oder“ gehen kann, sondern eine Ergänzung und ein Zusammenspiel beider Zugänge.

In Folge würde sich auch eine Diskussion darüber entschärfen, welche Disziplin für die Planung wichtiger ist, und zugunsten einer interdisziplinären bzw. sogar transdisziplinären Zusammenarbeit auflösen (so wie das rund um die Sozialraumanalyse Meidlinger Hauptstraße sehr gut gelungen ist). Aber die Diskussion an diesem Abend hat gezeigt, dass diese interdisziplinäre Verständigung offensichtlich noch viel Zeit und Raum braucht.

Montag, 14. Februar 2011

Sozialraumanalyse Meidlinger Hauptstraße

Seit kurzem ist die Sozialraumanalyse zur Meidlinger Hauptstraße als Werkstattbericht Nr. 110 der MA 18 - Stadtentwicklung und Stadtplanung Wien erschienen. Die Sozialraumanalyse, die vom Landschaftsplanungsbüro tilia gemeinsam mit dem Kompetenzzentrum für Soziale Arbeit des FH Campus Wien erstellt wurde, diente als eine Grundlage für den Wettbewerb zur Umgestaltung der Meidlinger Hauptstraße. Im Rahmen dieser Sozialraumanalyse wurde auch ein Leitfaden für Sozialraumanalysen "im Vorfeld von Planungsvorhaben in öffentlichen Räumen in Wien" erstellt, der das methodische Vorgehen beschreibt.

Für mich war dieses Projekt nicht nur überaus interessant, sondern auch die Zusammenarbeit v.a. zwischen Planung und Sozialer Arbeit/Sozialwissenschaft und speziell mit tilia, den KollegInnen der MA 18 und MA 19, sowie mit Hrn. Stöferle hat wunderbar funktioniert - danke!


siehe dazu auch http://m.wien.gv.at/stadtentwicklung/grundlagen/stadtforschung/stadtoekonomie/geschaeftsstrassenanalyse/index.html

Sonntag, 24. Oktober 2010

Kamingespräch: Umbau der Wiener Drogenarbeit

Beim Kamingespräch am 13.10.2010 mit Michael Dressel, Drogenkoordinator von Wien, am FH Campus Wien wurde sehr kontrovers diskutiert. Insbesondere die Bedeutung des öffentlichen Raums für Menschen mit Dorgenerkrankungen war umstritten. Einerseits wurde argumentiert, dass es Ziel einer Drogenarbeit sein muss, die Süchtigen von der Straße in die Einrichtungen zu bekommen. Entgegengesetzt wurde, dass der öffentliche Raum eine wichtige Rolle dabei spielt, Kontakt mit Süchtigen herzustellen, die sonst in den privaten Raum „verschwinden“. Auch über die Rolle der Sozialen Arbeit bestand Uneinigkeit: Während einerseits vertreten wurde, dass die Soziale Arbeit auch die Interessen von AnrainerInnen und anderen AkteurInnen im öffentlichen Raum vertreten sollten, meinten andere, dass die Soziale Arbeit in der Drogenarbeit die Aufgabe hat, die Interessen der Suchterkrankten zu vertreten.
Michael Dressel konnte bei dieser Veranstaltung außerdem veranschaulichen, dass das Angebot für Drogensüchtige in Wien in den letzten Jahren stark ausgebaut wurde und klärte über die Veränderungen des Angebots auf.

Freitag, 8. Oktober 2010

Umbau der Wiener Drogenarbeit?

Reminder: Kamingespräche
Zum Thema: Umbau der Wiener Drogenarbeit?

Mit: Michael Dressel, MA (Wiener Drogenkoordinator, SD Wien)
Moderation: Christoph Stoik

Mittwoch, 13.10.2010, 16:00-18:00, FH Campus Wien, B.E.01

Mittwoch, 14. Juli 2010

Protest gegen Verdrängung vom Karlsplatz

Seit über einem Monat kann jedeR beobachten, wie die "Drogenszene" vom Karlsplatz vertrieben wird. Überraschend war, wie wenig das im Vorfeld kritisch und offen diskutiert wurde. Jetzt regt sich doch Widerstand: Am kommenden Samstag, 17.7.10 wird ab 15.00 Uhr ein Aktionstag am Karlsplatz abgehalten:

nähere Infos:
http://lisasyndikat.wordpress.com/2010/07/09/aktionstag-gegen-die-karlsplatzsauberung/

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