Sonntag, 12. Oktober 2008

MieterInnen-Befragung als „Law and Order“-Ansatz?

Mitte/Ende September 2008 kurz vor der Nationalratswahl hat die Geschäftsgruppe Wohnen, Wohnau und Stadterneuerung mit Begleitbrief von Bürgermeister Michael Häupl und Wohnbaustadtrat Michael Ludwig eine MieterInnen-Befragung an alle 220.000 GemeindemieterInnen versendet. Wobei das Ansinnen, die MieterInnen zu Ihrer Lebenssituation im Gemeindebau zu befragen sehr begrüßenswert ist, muss der Brief aus fachlicher Sicht sehr kritisch betrachtet werden. Die Inhalte des Begleitfolders lassen darauf schließen, dass Teile der offiziellen Stadt Wien weiterhin auf eine „Law and Order“-Strategie setzen will, wenn sie „Aktion Scharf bei Hausordnung“ ankündigt und die Videoüberwachung in städtischen Wohnhausanlagen positiv bewertet. Auch wenn es aus Wahl-strategischen Überlegungen noch nachvollziehbar wäre, auf diese Strategie zu setzen, scheint den Verantwortlichen nicht bewusst zu sein, welche unumkehrbaren Folgen diese Politik mit sich bringen wird: Vermittelt wird den Menschen nämlich, dass Probleme des Zusammenlebens durch Kontrolle geregelt werden können. Statt nach den Ursachen von Problemen und Konflikten zu suchen (zunehmende Ungleichverteilung von Ressourcen, zunehmende Perspektivenlosigkeit von „ModernisierungsverliererInnen“, etc.), statt nach geeigneten Gegenmaßnahmen zu suchen, wird einer Sündenbock-Politik, die die Schuld bei Einzelnen sucht, nachgegeben und damit befördert.

Diese MieterInnenbefragung regt die GemeindebaubewohnerInnen an, die Schuld beim Nachbarn zu suchen und nicht auf Kommunikation und Verständigung zu setzen. Diese Art von Politik muss sich letztlich vorwerfen lassen, dass sie zur Eskalation beiträgt.

Wie diese MieterInnen-Befragung durchgeführt wurde, ist außerdem zu problematisieren: Die MieterInnen mit einem Gewinnspiel zum Mitmachen zu ködern, hat zur Folge, dass die Ergebnisse nur bedingt ernst genommen werden können – die Anonymität ist nicht gewährleistet, die Motivation der TeilnehmerInnen sind hinterfragenswürdig, die Ergebnisse niemals repräsentativ . Dass ein Strichcode am Fragebogen ohnehin die Herkunft der jeweiligen Fragebogen offenlegt - ohne, dass die Befragten darüber informiert wurden - ist m.E ein Skandal. Es stellt sich die Frage, was die Geschäftsgruppe mit diesen personenbezogenen Daten unternehmen wird. In die Logik der „Law and Order“- Politik würde es passen, Informationen an die Wohnhausverwaltung und die Gebietsbetreuung weiter zugeben. Zu hoffen ist, dass nach der Wahl Ernüchterung und Vernunft wieder eingekehrt ist!

Christoph Stoik

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