Stadt Wien setzt weiterhin auf die Videoüberwachung

Laut Rathauskorrespondenz vom 28.1.09,
http://www.magwien.gv.at/vtx/vtx-rk-xlink?SEITE=020090128009
setzt die Stadt Wien weiterhin auf die Videoüberwachung im Gemeindebau. Somit haben sich die Kräfte dagegen offensichtlich nicht durchsetzen können.

Problematisch ist dabei zumindest dreierlei:

1.Stigmatisierung „unsicherer“ Orte:
Die Probleme werden nicht gelöst, sondern nur von einem Ort auf einen anderen verschoben. In der Folge, entsteht der Druck, die Videoüberwachung immer weiter auf möglichst alle Orte auszudehnen. Das kostet nicht nur viel, sondern schafft vermeintlich sicherer Räume, denen sehr „unsichere Räume“ gegenüberstehen. An den Orten, an denen keine Videoüberwachung mehr finanziert wird, kann die subjektive und objektive Unsicherheit massiv zunehmen – die Stadt wird quasi separiert in sichere und unsichere Orte. Eine zunehmende Stigmatisierung einzelner Orte ist die Folge.

2.Stigmatisierung von „Symptomträger“:
Es wird der Eindruck erweckt, dass soziale Probleme durch Kontrolle und Überwachung gelöst werden können. Auch da ist zu befürchten (und empirisch nachweisbar), dass sich Probleme nur verschieben. Die Überwachungsindustrie profitiert daher noch am ehesten.
Allerdings wird durch zunehmende Überwachung soziales Verhalten auch als Ausdruck sozialer Ungleichheit und Konflikt, kriminalisiert. „Symptomträger“ gesellschaftlicher Verhältnisse und Entwicklungen werden stigmatisiert und noch mehr an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Dabei könnte schnell jedeR von uns betroffen sein, wenn gesellschaftliche Normen enger definiert werden, wenn das eigene Kind eine Jugendsünde begeht, etc.

3.Prinzip „Misstrauen“
Problematisch ist außerdem, dass in einem „Überwachungsstaat“ ein Klima des Misstrauens, der gegenseitigen Beobachtung und der zentralen Beobachtung durch staatliche Instanzen befördert wird. Dabei werden Verhaltensregeln unterstützt, die nicht die gegenseitige Verständigung, das miteinander Reden, sondern gegenseitiges Misstrauen bestärken.

Aus diesen Überlegungen heraus macht es Sinn zu überlegen, wie diesen Entwicklungen entgegengewirkt werden kann – dazu ein paar erste Ideen:

1.Entwicklung von alternativen Handlungskonzepten:
Die Gemeinwesenarbeit, bzw. Konfliktarbeit, wie sie beispielsweise von den Gebietsbetreuungen „Wohn“ umgesetzt wird, erscheint mir durchaus eine schon bestehende Handlungsalternative darzustellen. Investiert wird weniger in die Überwachung, sondern vielmehr in die Kommunikation, in die Bildung von Netzwerken, in die Bildung von Vertrauensbasis und in die Konfliktbearbeitung. Meiner Meinung nach, würde es Sinn machen, diese alternativen Handlungskonzepte und deren Wirkung öffentlich mehr sichtbar zu machen – das Wiener Vernetzungsfrühstück könnte dabei einen Beitrag leisten.

2.Aufklärung betroffener BewohnerInnen:
Professionelle Gemeinwesen- und StadtteilarbeiterInnen könnten vielleicht auch gemeinsam mit interessierten PolitikerInnen und BewohnerInnen drüber nachdenken, wie mit den BewohnerInnen gezielter in Kontakt getreten werden kann, die die Videoüberwachung fordern. Wie können sie informiert und aufgeklärt werden? Wie kann argumentiert werden?
Auch darüber könnte u.a. im Vernetzungsfrühstück diskutiert werden.

3.Entwicklung von Strategien gegen die Videoüberwachung:
Darüberhinaus könnten Strategien entwickelt werden, bei der die Videoüberwachung an Attraktivität verlieren könnte. Eine Möglichkeit dabei wäre es, die Kosten auf die BefürworterInnen so abzuwälzen, dass diese mehr sichtbar wird.
Interessant dabei wird übrigens auch, wie die Evaluierung über die Überwachung in 8 Wohnhausanlagen, die im Herbst vorliegen soll, ausgehen wird: Stehen die Kosten der Videoüberwachung, die von der Allgemeinheit bezahlt werden muss, in einem Verhältnis zu den Devastierungsschäden? Wie werden die Kosten der Videoüberwachung überhaupt berechnet? Werden die Personalkosten (Betreiben der Analgen, Videobänder sichten, Bearbeitung von Telefonaten aufgrund von Schadensmeldungen, etc.) mitberechnet? Ist es zumutbar, dass die Allgemeinheit teure Videoüberwachung finanziert, dafür dass ein paar Reparaturkosten eingespart werden können? Und wer muss eigentliche zahlen, die MiterInnen, die SteuerzahlerInnen?


Kurz: ich würde anregen, das Thema breiter und öffentlich zu diskutieren, auch, aber nicht nur im Rahmen des Vernetzungsfrühstücks für GWA.

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